Gletscher sind eine faszinierende Naturerscheinung und ein wesentlicher
Bestandteil der Alpen. Sie liegen meistens oberhalb von 3000 Metern über
Meer und geben den Alpen ihre besondere landschaftliche Schönheit. Unsere
Gletscher werden alljährlich von vielen tausend Bergsteigern und
Bergwanderer aufgesucht. Das von den Alpenvereinen errichtete und betreute
Netz von Wegen und Steigen erleichtert den Zugang.
Der Ausdruck "Gletscher" ist in der Schweiz aus dem französischen
glacier = Eis übernommen worden und verbreitete sich im übrigen
deutschen Sprachgebiet. In Vorarlberg und im Westen Tirols ist in der
Mundart für das ewige Eis allein der Ausdruck Ferner üblich.
Firn bedeutet im Altdeutschen
alt. Der Firn und
der Ferner sind alter, seit langem lagernder Schnee. Östlich der Wipptaler
Linie, im Bereich Zillertal, Pustertal und Pinzgau, ist nur der Name
Kös oder
Kees üblich.
Die heutigen Gletscher sind recht bescheidene Überbleibsel aus den Eiszeiten
aus dem Quartär, die letzte geologische Epoche vor etwa 10.000
Jahren. Damals überzog Eis mehrfach und über wechselnde Zeiträume hinweg
Teile der Kontinente. An manchen Stellen erreichte die Eisschicht eine Dicke
von zwei oder drei Kilometern.
Man weiß heute, dass nicht nur ein beträchtliches Absinken der Temperaturen
zu einer Eiszeit führte, sondern vielmehr die merkliche Zunahme der
Niederschläge. Der Vorgang ist einfach zu erklären. Er beginnt mit
ausgiebigen Schneefällen auf den höchsten Gipfeln. Dann setzen sich diese
Schneemassen. Sie sind dem ständigen Wechsel von Schmelze am Tag und
nächtlichem Gefrieren ausgesetzt, verwandeln sich zunächst in Firn, sodann,
unter Einwirkung des Gewichtdruckes des Schnees, in eine kompakte
Eisschicht, aus der schließlich der Gletscher hervorgeht.
Die aus den Alpen zu Tale strömenden prähistorischen Gletscher drangen viele
Kilometer in die Ebenen vor und haben diese Landschaften geprägt indem sie
u. a. V-förmige Täler zu U-förmigen Tälern (Trogtälern)
geschliffen haben. Kanten und Ecken des Gesteins wurden abgerundet, was
heute im Gebirge oft noch gut zu erkennen ist. An der Vorderseite ließen sie
Zusammengeschobenen Gesteinsschutt, die Endmoräne, zurück.
Auch das zerriebene Gestein unter den Gletschern, die
Grundmoräne,
wurde sichtbar. Dies führte zu Anhäufungen am Ende des Gletschers. Durch
solche Vorgänge entstanden nach der letzten Eiszeit nach dem Rückzug der
Gletscher große Seen, wie z. B. der Bodensee oder der Zürichsee.
Im Nährgebiet eines Gletschers, das ist der obere Teil, der
als Firnbecken bezeichnet wird, muss durchschnittlich mehr
Schnee fallen, als gleichzeitig abtauen kann. Der Schnee verwandelt sich
allmählich in Firn, indem er an der Oberfläche schmilzt, das Schmelzwasser
einsickert und wieder zu Eiskristallen erstarrt. Aus dem Firn entsteht durch
Druck des neu hinzukommenden Schnees und das Gefrieren von Schmelzwasser
kompaktes Eis. Aus acht Meter Schnee entsteht etwa ein Meter Firn und daraus
werden etwa zehn Zentimeter Eis.
Wenn das Eis dicker wird, wächst der Druck
im Inneren des Gletschers. Das Eis beginnt sich zu verformen und ins Tal zu
fließen. Die Fließgeschwindigkeit von Gletschern variiert stark und kann
zwischen 25 bis 150 Meter pro Jahr liegen. Ein Gletscher verhält sich wie
eine viskose Flüssigkeit. Durch sein eigenes Gewicht beginnt er sich
aufgrund der Schwerkraft auszubreiten - die Eisdicke nimmt ab, die
Eisausdehnung nimmt zu. Dabei haben Hangneigungswinkel, Geometrie des Tales
sowie Flüssigkeitsdruck auf dem Grund des Gletschers erheblichen Einfluss.
Der Teil des Gletschers, der unterhalb der Schneegrenze liegt nennt man das
Zehrgebiet, da das Eis hier langsam taut.
Dort wo sich der bewegliche Gletscher vom festen Teil -
Berghang - trennt,
entsteht eine Spalte, die man Bergschrund nennt. Diese Spalte
kann bei wenig Schneefall und heißen Sommern beachtlich weit offen sein und
die Überquerung erheblich erschweren.
Der Gletscher bewegt sich unterhalb
des Bergschrundes langsam talwärts. Dabei entstehen in der Regel Spalten im
Eis, für die es unterschiedliche Begriffe gibt. Die
Randspalten
reißen auf, weil der Gletscher am Rand durch die starke Reibung am Fels
gebremst wird und der mittlere Teil des Gletschers schneller fließt. Die
Kluft zwischen dem Gletscher und dem danebenliegenden Fels nennt man
Randkluft.
Querspalten bilden sich, wenn der Gletscher über eine
Felsstufe fließt. Dabei bewegt sich der Gletscher in den steileren Bereichen
etwas schneller als oberhalb der Stufe. Bei einer Versteilung des
Untergrundes entstehen die größten Spalten und bei einem starken Gefälle
löst sich der Gletscher in einen Gletscherbruch auf.
Radiärspalten bilden sich vorne an der Zunge. Das Eis hat in diesem
Bereich eine größere Fläche zur Verfügung. So dehnt sich die Zunge aus und
die Radiärspalten öffnen sich. Längsspalten entstehen im
oberen Bereich der Gletscher durch die Oberflächenspannung im Eis.
Die Breite und Tiefe der Spalten sind im Wesentlichen abhängig von der Dicke
des Gletschers und von der Geometrie des Gletschergrundes, auf dem dieser
talwärts fließt und der Fließgeschwindigkeit. Es gibt zwei Arten von
Gletscher, die sich unterschiedlich verhalten.
Der warme Gletscher hat Eistemperaturen um 0 Grad Celsius und
kommt in mittleren oder tiefen Höhenlagen vor. Seine Merkmale sind
Gletscherflüsse, Moränen und eine oben abgeflachte Gletscherstirn. Das
Schmelzwasser erreicht den Grund des Gletschers und dieser fließt auf einer
aufgeweichten Schneeeisschicht.
Der kalte Gletscher
hat Eistemperaturen tiefer als -5 Grad
Celsius und kommt in Großer Höhenlage (über 3.000 m ü. M.) vor. Er hat keine
Gletscherflüsse, keine wirklichen Moränen und eine steile Gletscherstirn.
Die Niederschläge gefrieren, bevor sie den Gletschergrund erreichen, da die
Temperatur auf dem Gletschergrund deutlich tiefer als 0 Grad Celsius ist.
Das Gletschereis klebt daher auf dem Felsgrund.
Bei einem warmen Gletscher tritt das Schmelzwasser oft in einer torartigen
Öffnung, dem Gletschertor als
Gletscherbach aus
und fließt talwärts. Das feine Gesteinsmehl, das beim fließen des Gletschers
entsteht, trübt den Gletscherbach derart, dass man dieses Wasser als
Gletschermilch bezeichnet.
Gletschermühle ist die Bezeichnung für
Strudellöcher, die dadurch entstanden, dass in Gletscherspalten stürzende
Schmelzwasser, mit Hilfe von Geröll, im darunter liegenden Gestein Schächte
und Röhren ausstrudelten. Gletschermühlen werden auch als Gletschertöpfe
bezeichnet.

Gletscherbruch des
Sulzenauferners in den Stubaier Alpen / Tirol
mit Wilder Pfaff 3.458 m
(links) und Zuckerhütl 3.505 m
(Bildmitte oben)
Foto Hilmar Schmitt Aufnahme mit Zoom vom Peiljoch
vom 11.08.2003

Gletscherspalten in der Bruchzone des Sulzenauferners -
im Hintergrund der Wilde Pfaff 3.458 m mit seinem nach Norden ragenden
Felssporn
Quelle: "Berge" Nr. 35 März / April 1989
Copyright © Hilmar Schmitt
www.berge-gipfel.de
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